Asyl
Die Turnhalle wurde also mein zweites Zuhause.
Zum Turnen kam das Tanzen, gefolgt vom cheern und zur Abwechslung ging’s mit Skates in den Pool und die Pipe. Kein Körperteil wurde verschont. Ich ging schon fast eine Beziehung mit dem Boden ein. Doch wenn man irgendwann in der Notfall-Ambulanz mit einem freudigen "Die Cheerleaderin" empfangen wird, ist es Zeit für eine Pause. Und die gönnte ich mir...
Endlich hatte ich ein bisschen mehr Zeit für meine beste Freundin und die Sachen, die man als Teenager so macht. Und natürlich auch für Jungs. So lernten wir einige Kosovo-Flüchtlinge kennen, die in einem kleinen Containerdorf in unserer Stadt wohnten. Es war nicht unbedingt das Ritz, aber um sich die Zeit zu vertreiben, ging’s. Insgesamt gab es vier lange Container, in denen es mehrere Zimmer, Toiletten, Gemeinschaftsküchen und Duschen gab. Zum Essen schauten immer wieder mal ein paar Ratten vorbei, welche den Schaben einen gerechten Anteil übrig ließen und wenn ich es mir so recht überlege, möchte ich gar nicht wissen, wie viele Milben und Bakterien noch in den zusammengesuchten Betten, Teppichen, Sesseln und Couchen ihr Unwesen trieben. Aber wer macht sich schon über so was Gedanken, wenn man plötzlich einen jungen Mann bemerkt, der die betörensten dunklen Augen hat, in denen man sich verlieren kann? Ich machte die Bekanntschaft mit meinem ersten Freund. Zu meinem Glück, lebte er schon länger in Deutschland und das in einer kleinen Wohnung. Normal wurde es aber deswegen noch lange nicht, denn diese bestand aus einem Raum, einer Küche und dem Bad und diente immer wieder als Unterschlupf für Freunde oder Planschmiede für das nächste krumme Ding. Wir waren wie Bonnie und Clyde, auch wenn ich aus Allem raus gehalten wurde und so gut wie nichts mitbekam. Trotzdem gab es mir als pubertierende Vierzehnjährige den gewissen Kick, welchen ich dann auch schon bald aus sexueller Sicht bekommen sollte. Immer wieder malte ich mir aus, wie unser und damit auch mein erstes Mal, sein sollte. Schließlich gab es durch diverse Teeny-Magazine ja genug Input. Ich entschloss mich also für ein romantisches, bei Kerzenschein beleuchtetes Schaumbad, in welchem ich meine Jungfräulichkeit aufgeben wollte. Was ich bekam, sollte die Quintessenz dieses zweimonatigem (64 Tage) Zusammenseins darstellen. Ein gammeliges Bett in dem Containerdorf, darauf ein Quicki bei nicht zugezogenen Vorhängen unter der Begutachtung zweier Kollegen, die sich einen Spaß daraus machten immer mal wieder durch Fenster oder Tür zu stören. Und glaubte ich bis dahin, schlechter hätte es nicht sein können, kam es in dem häuslichen Badezimmer erneut zu einer Karambolage, bei der ich liegend auf dem Boden rhythmisch mit meinem Kopf den Takt gegen die Badewanne angab in dessen Monotonie ich die Latten an der Decke zählte - 64.