Sonntag, 9. Oktober 2011
Ja, ich bekenne mich. Gelegentlich sehne ich mich nach einem stinklangweiligen Spießerdasein. Nach einem intakten Verhältnis in einer Großfamilie mit monatlichem Zusammenkommen im elterlichen Heim, der wöchentlichen Salatparade mit den Schwestern und den nächtlichen Psychochrash-Anrufen der Brüder. Nach Pflanzensitten bei den Eltern, während diese auf der jährlichen Kreuzfahrt sind, bunten Kindergeburtstagen der Nichten und Neffen und Versöhnungen nach Streitigkeiten, die mit Sicherheit nicht ausbleiben würden.
Nach einem 9-to-5 Job im Büro mit ausreichender Bezahlung um den Feierabend mit dem Partner im kleinen Häuschen oder der lichtdurchfluteten 120 Quadratmeter Wohnung zu verbringen. Freien Wochenenden für gediegene Treffen mit Freunden im Haus, in Cafés, Bars oder der Lounge gegenüber der Wellness Oase, die die Schwester wärmstens empfohlen hat.
Nach der Vertragswerkstatt, dem Lieblingsrotwein, dem jahrelangen persönlichen Friseur und dem vertrauten Clubhotel.
Aber vor Allem wohl nach Beständigkeit und Geborgenheit!



Montag, 3. Oktober 2011
Der mir gestellten Frage, ob ich mich lieber nur noch ausschließlich in Deutschland aufhalten würde oder überall anders, allerdings ohne zurückkehren zu dürfen, ließ mich ihr nichts Konkretes entgegenbringen. Der Gedanke daran, nur noch dort zu Hause zu sein wo man grad ist, löst in mir Heimweh aus. Wobei ein Neustart doch genau das war, worüber ich nachdachte. Neue Wohnung, neuer Job, neues Leben. Jeden neuen Morgen mit einem Workout beginnen und bewusster in den Tag starten. Altlasten loswerden und einfach von vorne anfangen. Allen Balast über Bord werfen, sich selbst dabei aber nicht verlieren, auch wenn man sich noch nicht ganz gefunden hat. Meistens macht die Fremde ja mehr aus einem, als man ist.
Aber wann ist die Zeit für solch einen Schritt gekommen? Was nimmt man mit und was lässt man zurück? Ist es überhaupt möglich verschiedene Leben zu leben?



Mittwoch, 28. September 2011
Es gibt kein besseres Alibi für einen fettigen Schmand-Dip als Möhren. Eine Verbindung, welche ihre gesamte Entfaltung erst nach der Zunahme genießt. Ein Grund mehr nicht immer auf Prozentzahlen zu achten. Allerdings ist das leichter gesagt als getan. Nicht immer sind das Essen und ich uns einig, wobei ich sagen muss, dass wir so langsam aber sicher eine wahrlich geschmackvolle Beziehung miteinander eingegangen sind.
Gestand ich vor ungefähr zehn Jahren noch der Keramikschüssel meine Geheimnisse, begannen sich Hirn und Magen endlich miteinander zu unterhalten und nahmen Nahrungsmittel wieder in den Kreis der Verbündeten auf. Und auch wenn uns nicht immer klar war ob wir uns nun mochten, duldeten oder einander verfallen waren, gelang es uns seit dem wenigstens einmal am Tag warmherzig zueinander zu sein.
Diese tiefe sinnliche Bindung, lässt mich seit dem jeden Tag etwas neues lernen, auch wenn gelegentliche Lückenbüßer herhalten müssen. Dies geschieht jedoch mit beidseitigem Einverständniss und wie man weiß, bereitet doch die Entfernung meist ein noch freudigeres und genüsslicheres Wiedersehen. Liebe geht halt doch durch den Magen.



Dienstag, 27. September 2011
Wahrscheinlich ist meine Vorstellung von einer Tätigkeit auf einer Ranch viel zu romantisch, aber seit einiger Zeit werde ich den Gedanken nicht mehr los, mich einmal auf solch einer zu versuchen. Die Ernte einholen, Heuballen stapeln, Ställe misten und zu Pferd das Vieh eintreiben. Zwischendurch noch an dem einen oder anderen Rodeo teilnehmen und abends nach getaner Arbeit auf der Veranda sitzen und dabei zuschauen wie die Sonne hinter dem weiten Land untergeht.
Und wie gut mir so ein Cowgirl Outfit stehen würde.
Unglücklicherweise sind dies aber mit Sicherheit nur Marlboro Country Phantasien, die durch diverse Filme bestärkt werden und durch einen gewissen Blog einen noch süßeren Beigeschmack bekommen.
Doch so wirklich möchte ich diese Utopie nicht aufgeben, denn sind wir ehrlich, gibt es nichts Schöneres als handgemachte Arbeit, die einen Prozess erkennen und körperliche Spuren hinterlässt.
Da ich bis jetzt allerdings noch nichts von solch einer Traumfabrik in Deutschland gehört habe, beschränkt sich meine Suche auf Bauernhöfe, die mir vielleicht bald einen Einblick in das Farmerdasein ermöglichen und damit die Romantik erblühen lassen.



Montag, 26. September 2011
Singe ich beim Verlassen meiner Haustür auch gelegentlich die ersten Zeilen des Elvis Klassikers "In the Ghetto" , bin ich für die vorhöflichen Rasenflächen und Bäume äußerst dankbar. Sie verleihen der Tristesse eine ungemeine Lebendigkeit und lassen einen gewöhnlichen Blick aus dem Fenster, gepaart mit dem blauen Himmel und den rot-orangenen Dächern, zu einem leuchtenen Farbenspiel werden. Ebenso lohnt sich die Aussicht im Dunkel auf eine Birke, deren Zweige sich im leichten Wind fließend dem Mondschein hingeben und in mir ein Gefühl des geheimnisvollen Treibens aufkommen lassen.
Wenn nun das satte Grün jedoch in das flammende Morgenrot getaucht wird und die Tautropfen das Licht in ein warmes Weiß brechen, suhlen sich mehrere Kaninchen in diesem Schein und versuchen ihn erneut zu bündeln. Unterstützt werden sie dabei von vereinzelten Eichhörnchen, die, wenn sie nicht grad damit beschäftigt sind Gegenstände in ihren kleinen Vorderpfoten umzudrehen, vergnügt umherspringen bis sie naserümpfend in einen Baum verschwinden.
Und während ich noch frohlockend zur raschelnden Krone aufschaue, überkommt mich das Bedürfniss barfuß im nassen Gras zu stehen, wo ich mir immer wieder gern die helfende Hand des "Ghettos" reichen lasse.



Samstag, 24. September 2011
Wie sehr ich mir manchmal wünschte mit einem Stempel zur Welt gekommen zu sein, welcher einen in Kategorien einordnet und den Weg weißt.
Versteht mich nicht falsch, ich bin ein großer Fan von Freiheit, eigener Meinung, Rebellion und Revolution. Dennoch kommt es mir gelegentlich so vor als hätte ich zu viel des Guten und begänne zu schwimmen.
Grad in diesem Abschnitt meines Lebens ist mir besonders aus beruflicher Sicht einfach schon wieder nicht bewusst wohin mit mir.
Nach etlichen Versuchen mich zu orientieren war ich nun schon Kellner, Konditor, Kostümdarsteller, Promoter, Entertainer, Tänzer, Trainer, Journalist und Bewegungspädagoge. Diese Erfahrungen möchte ich auf keinen Fall missen und ich bin auch der Meinung, dass sie mich zu dem gemacht haben was ich bis jetzt bin, aber eine Quintessenz lässt sich aus meiner Perspektive noch nicht erschließen.
Immer wieder steh ich nach einigen Monaten da wo ich aufgehört habe und suche nach einer neuen erfüllenden oder weniger erfüllenden Tätigkeit.
Auch jetzt treib ich mich wieder in den selbstgemachten Wahnsinn und setze mich einem Druck aus, den ich an so manchem Abend nicht standhalten kann. Aus diesem Grund kommt in mir manchmal die oben genannte Sehnsucht auf. Mitunter um einen für sich eigens gewählten Weg und auf die Barrikaden gehen zu können...



Sechs Jahre bin ich nun in einer Beziehung und vor zwei Jahren zelebrierten mein Meanman und ich unseren Jahrestag mit einer Art Handfasting. Dazu knoteten wir Lederbänder, welches ich seit dem an meinem Handgelenk trage. Mittlerweile lassen sich die drei verschiedenen Farben schon fast nicht mehr erkennen und es passte sich so exakt an meine Armknochen an, dass es noch kaum spürbar die Haut umschmeichelt. Nun lösen sich leider die ersten Fasern und bei jedem neu gerissenen Bande mache ich mir Gedanken ob dies Auswirkungen auf unsere Bindung hat.

Anscheinend sinds aber grad die Gebrauchsspuren, die einen Wert erst erkennbar machen. Diese Erkenntnis hilft beim Verarbeiten alter und neuer Wunden und lässt die Freude auf die kommenden Narben umso größer werden.

Natürlich sehne ich mich gelegentlich nach einer Zeit zurück, in der ich den Beinamen "Eiskalter Engel" oder "gefühllose Eiskönigin" trug. Man mir nach sagte, ich hätte dort einen Stein wo andere ihr Herz haben und meine gelebte Philosophie aus dem Satz "Das hätte weh gaten, wenn ich Gefühle hätte" bestand. Doch wenn ich ehrlich bin, wäre dies ein viel zu großer Verlust. Also warum nicht mit allen Sinnen und in allen Emotionslagen leben und gelebt werden?!



Donnerstag, 22. September 2011
Geständnisse
Auch wenn der September nicht unbedingt alles neu macht, wird es doch Zeit die Vergangenheit ruhen zu lassen und in der Gegenwart anzukommen.
Warum sich also nicht mit den alltäglichen Gegebenheiten befassen...

So sitz ich als frisch gebackene Bewegungspädagogin vor euch, die sich grad in einer Art Übergangphase befindet und versucht sich neu zu erfinden um dabei bei sich selbst anzukommen. Die zu der unterschiedlichsten Musik tanzend in der Küche den Kochlöffel und Rührbesen schwingt, einen Hang zu Phantastereien hat, sich oft in der Melancholie verliert und das Gute trotzdem irgendwie noch nicht ganz aufgegeben hat.
So kompensiere ich Sehnsüchte und Fernweh durch Beschäftigungen wie kochen, lesen, stricken, schreiben, tanzen, neue Musik entdecken, Filme gucken, Theaterbesuche und das Abklappern von geschichtsträchtigen Orten, in der Hoffnung jedem einzelnen Tag einen schönen Moment zu entnehmen.

Natürlich spielen mein Freund, meine derzeitige Arbeit, meine Freunde und meine zwei durchgeknallten Katzen, eine große Rolle dabei, doch habe ich mit mir oftmals genug zu tun...