Mittwoch, 28. September 2011
Viel Glück zum Nichtgeburtstag
Glich ich in der französischen Provinz mit knallrot gefärbtem Haar und schrill leuchtender Kleidung noch einem durchgeknallten Paradiesvogel, ging ich bei Ankunft in meiner grauen heimischen Fremde wieder unter. Mit dem Gefühl einen Teil von mir zurück gelassen zu haben, wartete ich vergebens auf jemanden, der mich in Empfang nahm und trottete schweren Herzens nach Hause. Aber auch dort freute sich niemand über meine Rückkehr, es schien, als wäre meine Abwesenheit nicht einmal aufgefallen. So nahm der Alltag seinen Lauf und es dauerte nicht lang bis mich meine Sehnsucht einholte und mein noch übrig gebliebenes Leuchten völlig erlöschen ließ. Damit verlor sich in den dunkeln Abgründen meiner Selbst auch mein Appetit und ließ mich für knapp eine Woche mit mir allein. Als sich mir endlich eine rettende Hand entgegen streckte, welche mich meinen Bedürfnissen wieder bekannt machte, lugte kurz darauf auch wieder ein Stück Docht, den es zu entzünden galt, hervor, was mir bei meinem nahenden achtzehnten Geburtstag nicht besonders schwer fiel. Dachte ich nämlich mit glänzenden Augen über die anrückende Unabhängigkeit und völlige Freiheit nach, konnte ich den Wind spüren, der mir leicht durchs Haar wehte. Doch wer hätte ahnen können, dass mir diese Begriffe schneller zu Teil wurden als gewollt? So beschloss meine Mutter 72 Stunden vor meinem großen Tag nicht mehr zu unserer kleinen und kaputten Familie zu gehören und entschied sich für eine räumliche Trennung. Somit war der erste Schmetterlingsflügelschlag getan und verursachte eine lange Reihe an psychoterroristischen Handlungen, welche ich hauptsächlich als „Kind der Liebe“ über mich ergehen lassen musste. Kein besonders schönes Geschenk, wenn man lieber ein Auto bekommen hätte…



comme ci, comme ca
Um dem Wahnsinn zu entkommen, entfloh ich kurzer Hand nach Frankreich. Genauer gesagt nach Metz. Dort war ich im Begriff eine Partnerschule zu besuchen und Kost und Logis einer Gastfamilie in Anspruch zu nehmen. Doch schneller als ich den Entschluss fasste, bereute ich ihn bei der flüchtigen Begutachtung meiner Tauschschwester auch schon wieder. Gefangen in einem grün markierten Kasten inmitten des Schulhofes, welcher einen als zu meidenden Raucher abstempelte, besprangen mich zwei türkisfarbene glitzer Lidstriche umrahmt von langem schwarzen Haar, die mich in einem perfekten Deutsch fragten ob ich die fragliche Person sei. Nach kurzer Bestätigung meinerseits, verschwand die Gestalt im Rauch meiner Zigarette bis ich mich in einem Klassenraum mit weiß bekittelten Mädchen meines Alters mit Mörderpuppen ähnlichen Plastikbabys im Arm wieder fand. Immer noch nicht zur Besinnung gekommen, sprangen plötzlich alle auf, griffen sich meine Taschen und rannten ohne ein Wort zu sagen los. Da ich es nicht besser wusste und am nächsten Tag nicht unbekleidet zum Unterricht erscheinen wollte, rannte ich hinterher, ging in einem schier endlosen Meer von Schülern unter und tauchte eingepfercht in einem Bus samt meinen Taschen und der Tauschschwester wieder auf. Da saß ich, völlig verwirrt, noch unbesprochen auf dem Weg ins Nichts mit dem Gedanken wieder nach Hause zu wollen und die Frage warum ich mich auf dieses Abenteuer eingelassen hab, bis sich plötzlich eine behagliche Stimmung auftat und mich zig neugierige Gesichter bittend ansahen in der Hoffnung etwas über mich zu erfahren. Das Martyrium entspannte sich nach einer gefahrenen Stunde als wieder meine Taschen in fremde Hände gerieten und ich mit ihnen den Bus verließ. Bis vor der Haustür meiner neuen Stätte war ich mir immer noch nicht im Klaren ob das ganze Realität sei oder nicht, doch die herzliche Begrüßung meiner zur Überraschung italienischen Gasteltern und zweiter Schwester, ließ jeglichen Unmut von mir abfallen.
Mittlerweile befand ich mich in Audun-le-Tiche, einem Ort neben Luxemburg und einer langen Busfahrt zu meinem Bildungsort entfernt. Dort verweilte ich in einem gemütlich eingerichteten Heim und genoss südländischen Familienzusammenhalt inklusive frisch zubereiteter italienischer Küche für das, durch den straffen Stundenplan geringe, süße Nichtstun.
Jedoch hatten wir November und die liebevoll einladende Wärme im Haus, ließ die morgendliche Kälte, welche meine Fingerkuppen zum Springen brachte, auf den noch im Dunkel liegenden und Müllabfuhr-orange getünchten Straßen noch eisiger erscheinen. Allerdings wäre auch unsere Busfahrerin dazu im Stande gewesen, die uns eines Morgens kaltblütig am Straßenrand stehen ließ, um ihrer Wut auf Grund der täglich zunehmenden Beschädigungen an ihrem heißgeliebten Gefährt, Ausdruck zu verleihen. So kam es auch, dass wir nach einem langen Schultag ohne Vorwarnung auf einer noch längeren Landstraße zwischen Feldern und Wiesen stehen blieben und den Bus verlassen mussten bis Blaulicht unsere Gesichter färbte und die Gendarmerie drei Halbstarke abführte, die die Fahrt in den Dunst illegaler Substanzen legten.
Unbeschadet davon und nach Hause gekommen, fielen wir ins Wochenende ein, welches die Familie noch größer und noch idyllischer machte. Außerdem standen ein Besuch in einem Event-Center, den luxemburgischen Einkaufstraßen und ein Doppeldate meiner Tauschschwester und mir an. Französische Jungen sind einfach zu süß als dass man an ihnen vorbei käme.
Vollbepackt mit meinen Taschen, gefüllt mit tränenreichen Momenten, den besten Wünschen und den einprägensten Erlebnissen, hieß es nach der letzten Busfahrt und dem allerletzten Blick auf die mittlerweile komplett fehlende Rückbank, Abschied nehmen. Fast ertrunken in meinen und der Tauschschwester nur so hinab kullernden Tränen, fielen wir einander in die Arme und versprachen uns voller Wehmut ein "au revoir" bis wir uns bis zum heutigen Tage entglitten.



Hexe, Hexe, alte Hexe
Wer das Prinzip der japanischen Lebensweißheit "Feng Shui" begriffen hat, dem steht Glück, Frieden, Liebe und Reichtum ins Haus. Also thematisierte ich die verschiedenen Ecken meines Zimmers und stattete sie mit reichlich Kitsch aus. Delphine, Gedichte, Bilder von Wasserfällen, jede Menge Kerzen und genug Räucherwerk um ein irdisches Nirvana zu errichten.
Dort abgetaucht, trat ich zum Wicca über und widmete mich den Riten der weißen Magie. Ich weihte mich also schwimmend in einem Bad aus verschiedenen getrockneten Pflanzen ein, sprach zeremonielle Worte und fand mich vor einem Altar mit diversen Utensilien wieder.
Benebelt wie ich war, begann ich Seancen abzuhalten, Bäume zu umarmen und auf naturgegebene göttliche Zeichen zu warten.
Doch das Einzige was ich bekam, war zeitlich begrenztes Hausverbot in der Apotheke...



Wenn das "Wenn" nicht wäre
Einmal Blut geleckt, ging es weiter mit meinem Schulschwarm aus der siebten Klasse. Vier Jahre brauchte es bis der große Moment unserer Vereinigung gekommen war. Doch das Vergnügen sollte nicht von langer Dauer sein und so fragte er mich nach Beendigung des ersten Aktes, dessen Schauplatz erneut der Boden war und diesmal der Bettrahmen als Klanginstrument fungierte, ob er von meinem Handy seine Freundin anrufen könne.
Deprimiert verzog ich mich wieder in die Turnhalle und widmete meine Leidenschaft den heißgeliebten, nach Aufmerksamkeit lechzenden Geräten. Endlich ging es nach schweißtreibendem Training auf das lang ersehnte Turnfest. Eine Woche Party mit Sportlern aus ganz Deutschland.
Da stand ich nun in den großen, unübersichtlichen Hallen des Messegeländes und schaute meinen Mädels bei akrobatischen Übungen auf der Tumbling-Bahn zu, bis sich die springende Menge auftat und ich einen Jungen erblickte, der einen Football hin und her warf. Was für ein muskulöser Körperbau. Jeder Muskel ließ eine Definition erkennen, die ich sonst nur aus der Werbung kannte. Gebannt vor Ehrfurcht, schickte ich meine Kleinen zu ihm um dem aus Stein gehauenem Körper einen Namen zu geben. Und plötzlich stand er vor mir.
Ein kurzes, verschüchterndes Gespräch unter Athleten, eröffnete mir allerdings nur seinen Namen, den Grund seiner Teilnahme und seinen Wohnort, bis sich unsere Wege wieder trennten. Ein kurzer Stopp auf dem Weg nach draußen, erlaubte mir noch einmal einen Blick in seine Richtung, während es schien als würde sich die Masse hollywoodreif zu den Seiten aufteilen und den Protagonisten in einem heroischen Schein erstrahlen lassen.
Zu Hause angekommen, durchsuchte ich etliche Football- und Turnvereine seiner Umgebung und deren Mannschaftsaufstellungen ohne Erfolg. In dem vom Irrsinn befallenen Wahnsinn, schrieb ich also einen Brief an den ansässigen Turnverband in der Hoffnung einen Anhaltspunkt zu erhalten. Kurz darauf, ich kam grad aus der Schule, wies mich meine Mom auf einen Anrufer hin, der einen Rückruf von mir erwartete. Die Spannung stieg ins Unermessliche. Eine männliche Stimme ertönte und datierte mir den Erhalt meines Briefes mit der Herausgabe, der Adresse und Telefonnummer des Gesuchten. Ein kurzes "Moment bitte" meinerseits, verschaffte mir einen Augenblick zum Luft holen und aufschreien, bis ich wieder zu Sinnen kam und mir Notizen machte. Jetzt nur nicht die Fassung verlieren. Schnell gab ich einen weiteren Brief auf und konnte es kaum glauben als ich am nächsten Tag tatsächlich eine Antwort per SMS von meinem turnenden Quarterback bekam.
Neun Jahre bin ich jetzt schon sein privater Cheerleader und kann ein zweites persönliches Wiedersehen kaum erwarten...



Asyl
Die Turnhalle wurde also mein zweites Zuhause.
Zum Turnen kam das Tanzen, gefolgt vom cheern und zur Abwechslung ging’s mit Skates in den Pool und die Pipe. Kein Körperteil wurde verschont. Ich ging schon fast eine Beziehung mit dem Boden ein. Doch wenn man irgendwann in der Notfall-Ambulanz mit einem freudigen "Die Cheerleaderin" empfangen wird, ist es Zeit für eine Pause. Und die gönnte ich mir...
Endlich hatte ich ein bisschen mehr Zeit für meine beste Freundin und die Sachen, die man als Teenager so macht. Und natürlich auch für Jungs. So lernten wir einige Kosovo-Flüchtlinge kennen, die in einem kleinen Containerdorf in unserer Stadt wohnten. Es war nicht unbedingt das Ritz, aber um sich die Zeit zu vertreiben, ging’s. Insgesamt gab es vier lange Container, in denen es mehrere Zimmer, Toiletten, Gemeinschaftsküchen und Duschen gab. Zum Essen schauten immer wieder mal ein paar Ratten vorbei, welche den Schaben einen gerechten Anteil übrig ließen und wenn ich es mir so recht überlege, möchte ich gar nicht wissen, wie viele Milben und Bakterien noch in den zusammengesuchten Betten, Teppichen, Sesseln und Couchen ihr Unwesen trieben. Aber wer macht sich schon über so was Gedanken, wenn man plötzlich einen jungen Mann bemerkt, der die betörensten dunklen Augen hat, in denen man sich verlieren kann? Ich machte die Bekanntschaft mit meinem ersten Freund. Zu meinem Glück, lebte er schon länger in Deutschland und das in einer kleinen Wohnung. Normal wurde es aber deswegen noch lange nicht, denn diese bestand aus einem Raum, einer Küche und dem Bad und diente immer wieder als Unterschlupf für Freunde oder Planschmiede für das nächste krumme Ding. Wir waren wie Bonnie und Clyde, auch wenn ich aus Allem raus gehalten wurde und so gut wie nichts mitbekam. Trotzdem gab es mir als pubertierende Vierzehnjährige den gewissen Kick, welchen ich dann auch schon bald aus sexueller Sicht bekommen sollte. Immer wieder malte ich mir aus, wie unser und damit auch mein erstes Mal, sein sollte. Schließlich gab es durch diverse Teeny-Magazine ja genug Input. Ich entschloss mich also für ein romantisches, bei Kerzenschein beleuchtetes Schaumbad, in welchem ich meine Jungfräulichkeit aufgeben wollte. Was ich bekam, sollte die Quintessenz dieses zweimonatigem (64 Tage) Zusammenseins darstellen. Ein gammeliges Bett in dem Containerdorf, darauf ein Quicki bei nicht zugezogenen Vorhängen unter der Begutachtung zweier Kollegen, die sich einen Spaß daraus machten immer mal wieder durch Fenster oder Tür zu stören. Und glaubte ich bis dahin, schlechter hätte es nicht sein können, kam es in dem häuslichen Badezimmer erneut zu einer Karambolage, bei der ich liegend auf dem Boden rhythmisch mit meinem Kopf den Takt gegen die Badewanne angab in dessen Monotonie ich die Latten an der Decke zählte - 64.



Kein Blut auf den Geräten - zu spät
Ein neues Hobby musste her, also begann ich zu turnen, wozu ich die Worte des "Rebellen in Turnschuhen" zitieren möchte...

"Beim Turnen erkennst du immer wieder wo deine Grenzen sind. Von morgens bis abends. Das Training scheint sich über dich lustig zu machen und du stehst wie ein Anfänger da. Du musst verrückt sein. Wenn du gern mit vollem Tempo auf Geräte zu rennst, dann ist so ein Sprung das Richtige für dich. Wenn du dir gern größere Hautstückchen von den Handflächen abreißt, dann ist der Stufenbarren das Richtige für dich, denn nichts ist schöner als wenn deine Blasen wieder neue Blasen kriegen. Das sieht super sexy aus. Und am Boden ? Im ernst, nichts ist schöner als in einem engen Anzug, der sich zwischen deine Pobacken klemmt, albern herum zu hüpfen. Das ist der Hit.
Wenn du gerne hinfällst, dann ist Turnen genau das Richtige für dich. Man kann dabei aufs Gesicht fallen, auf den Hintern, auf den Rücken, auf die Knie, auf alles was dir lieb ist. Ein Glück, dass ich Fallen nicht bescheuert finde. Es gibt nichts Schöneres.

Vier verschiedene Geräte und für jede Disziplin vier Richter. Das sind sechzehn Beurteilungen, die uns sagen wie unbegabt wir sind. Sechzehn Menschen von denen wir erfahren, dass wir nicht perfekt sind. Aber wir wollen doch so gerne perfekt sein. Um jeden Preis. Das Problem ist nur, es gibt keine Perfektion. Aber versucht das mal den Richtern zu erklären. Es ist ganz egal wie schnell wir rennen oder wie hoch wir springen. Sind die Hände nur eine Sekunde zu lang auf dem Tisch - Punkteabzug. Und nie nur einen Arm benutzen - größerer Punkteabzug. Berühren die Füße den Sprungtisch bevor du gelandet bist - vergiss es. Du willst Musik mit Gesang für deine Bodenkür haben? Riesen Punkteabzug. Oder die Musik ist zu Ende, du aber noch nicht - zwei Zehntel Abzug. Es geht nicht darum wie gut du bist, sondern nur darum wie gut du ihre Regeln befolgst.

Jedes Mädchen will hier das Selbe. Dem Wahnsinn einen Sinn geben. Auf dem Treppchen stehen und die Beste sein. Und dafür würden wir uns sogar gegenseitig die Augen auskratzen. Aber gegen wen kämpfen wir eigentlich wirklich? Gewinnen wollen wir doch alle, aber anstatt uns gegenseitig die Hölle heiß zu machen, sollten wir nicht lieber gegen die Kampfrichter antreten?

In solchen Momenten, wünsche ich mir immer nur dass meine Freunde hier wären. Jemand der sagt, ich bin stolz auf dich und ich stehe hinter dir, egal was passiert.

Der einzige Grund warum ich diese blöden Übungen mache, ist dass irgendjemand mal gesagt hat: „Mir ist es egal ob es bescheuert ist oder ob es weh tut. Ich mach es einfach. Ich werde diesen mörderischen Berg bezwingen. Ihr werdet schon sehen.“ Wer eine neue Figur erfindet, nach dem wird sie benannt. Ein Gienger. Ein Rulfova. Ein Tchusovitina. Ein Shaposhnikova. Ihr wart alle spitze und wir verehren euch!“



Wer hat Angst vorm schwarzen Mann
Wenn ich also nicht grad in der Prärie zu Hause war, wuchs ich in einer kleinen behaglichen Zechenhaus-Siedlung auf. Dort musste man um zu meiner Straße zu gelangen noch einen Torbogen passieren, hinter dem von mir aus gesehen, unser Besuch immer hinterm Horizont verschwand. Ihnen nachzuschauen oder sich noch einmal umzudrehen und zu winken, wenn ich diesen Weg selbst bestritt, war Tradition.
Das Leben in diesem Goldfischglas war also überschaubar und friedvoll. Dort stieß ich mit vier Jahren auf der Geburtstagsparty eines Nachbarn auch auf meine beste Freundin, die in einem Haus hinter dem Torbogen wohnte.
Doch es gab einen Mann um den sich die mysteriösesten Geschichten woben. Unter anderem sollte er bei der Flucht vor der Polizei angeschossen worden sein und die Kugel bis heute noch neben seinem Herzen tragen. Jeden Tag ging er um die gleiche Zeit spazieren, setzte sich auf eine Mauer und beobachtete das Treiben. Eines sonnigen Tages spielte ich mit meiner Freundin unter einer großen Trauerweide, nicht weit von unseren Häusern entfernt, bis plötzlich dieser unheimliche Mann neben uns stand und fragte, ob wir nicht Lust hätten gemeinsam mit ihm spazieren zu gehen. Etwas erschrocken und starr vor Angst, hörten wir uns seinen Vorschlag noch einmal an, bis wir uns endlich wieder rühren konnten und weg liefen. Oh je, jetzt hatte er uns also auch schon in seinem Visier. Schnell erzählten wir es unseren Eltern, die zwar etwas besorgt schienen, aber sich nicht wirklich was davon annahmen. Also blieb es an uns der Sache auf den Grund zu gehen. Ausgestattet mit einem Notizbuch, Fotoapperat, Walkie Talkies und gehörig weichen Knien, stiegen wir ihm nach und richteten uns einen Überwachungspunkt ein. Immer wieder folgten wir seiner Spur und befragten unsere Nachbarn. Doch mehr als ein Schulterzucken oder einen erschrockenen Blick, konnten wir den Leuten nie entlocken. So fanden sich unsere Bemühungen bald in einer Sackkasse wieder und uns blieb nichts anderes übrig als die gesammelten Beweise in einem Loch unter einer Garage zu vergraben.
Einen weiteren Vorfall, gab es seit diesem Tag nicht mehr und man lebte weiterhin nebeneinander her. Trotzdem läuft mir heute noch ein Schauer über den Rücken, wenn ich diesen Mann gelegentlich sehe.



Yippie-ya-yeah
Zu der im vorigen Beitrag beschriebenen Zeit, begab es sich und mir ist bis heute noch nicht klar warum, dass ein Country- und Westernclub die Gaststätte zum Saloon umfunktionierte und Kriegsrat hielt. Schneller als die Friedenspfeife loderte, hatte mein Vater, der sowieso schon einen Fable für Cowboy- und Indianerspiele hatte, Feuer gefangen und sattelte sein Pferd. Tja und was glaubt ihr, hat man als Squaw noch großartig zu melden, wenn man Wert auf seinen Skalp legt ?
Also wurden Bücher gewälzt, "Rollen verteilt", zeitgemäße Namen vergeben, Kostüme geschneidert und naturfreundliche Accessoires gefertigt. Immer wieder fand ich mich an Wochenenden auf großen Feldern wieder, auf denen Tipis, Lodges, ja sogar ganze Städte mit Saloon, Küche, Bank, Gefängnis und mehreren Holzhütten aufgebaut waren, die von Indianern, Trappern und Cowboys bewohnt wurden. Und das stilecht in Leder, verziehrt mit Perlen, Fellen und Federn, Hüten aus denen zur Weihe Feuerwasser getrungen wurde, Waschbärmützen und Pfeil und Bogen. Es wurden Rodeos veranstaltet, zu Trommelklängen und indianischen Gesängen ums Feuer getanzt, gestellte Überfälle organisiert oder einfach nur mit Gleichgesinnten an neuem Kopfschmuck gearbeitet. Und wehe jemand ließ sich dabei erwischen, dass er vergaß seine Armbanduhr für die Tage in der Wildnis abzulegen. Wir waren soweit von der Zivilisation entfernt, dass wir sogar Geld in Ranch eigene Dollar umtauschten.
Vom Feuer geräuchert wieder in der Realität angekommen, stellten wir unser Fachwissen sogar für in Kindergärten veranstaltete Powwows zur Verfügung und so kam es, dass uns, gekleidet in voller Monitur, mitten auf der Hauptstraße zwei Pferde, welche sich von einer Kutschrundfahrt losrissen, entgegen kamen, die es einzufangen galt. Am nächsten Tag konnte man der Lokalpresse entnehmen, dass Hollywood seine Dreharbeiten anscheinend aufs Ausland verlegt hat, in dem der hiesige Sheriff allerdings für Recht und Ordnung sorgt.



Alles auf Anfang
Eigentlich hätte mir ja schon von meiner Geburt an klar sein müssen, dass das nichts werden kann. Aber wer kann schon von sich behaupten seine Umwelt wahrzunehmen, währenddessen er vehement dagegen ankämpft aus seiner neunmonatigen kreativen Schaffensphase gerissen zu werden. Zwei Tage war es mir möglich zu rebellieren, musste dann aber letztendlich doch meinen Streik brechen und nachgeben. Der Meinung war wahrscheinlich auch meine Großmutter, die sich nach mehreren Fehlalarmen, etwas verwirrt auf den Weg machte um ihrer Tochter beizustehen und sich plötzlich eingereiht in einer Polizeieskorte wiederfand. Somit war mir der blaulichtgefärbte Empfang schon einmal gesichert.
Dazu sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass meine Großeltern eine gutbürgerliche Gaststätte in ihrem Ort führten, in der Polizei- und Justizbeamte, Politiker und Prominenz immer gern gesehen waren.
Dadurch also stadtbekannt und immer für ein geschichtsträchtiges Ereigniss zu haben, wurde mein Geburtstag schnell mit dem Rekordergebnis einer großen Partei, zu dieser Zeit noch unter der Leitung des befreundeten Ministerpräsidentens, gekoppelt was mir ab da jedes Jahr mindestens einmal auf einer Karte begegnete.
Leider sind diese und einige Erinnerungen, das Einzige was mir von den Beiden bleibt, da uns die Chance uns richtig kennenzulernen nicht gegeben war. Ich war sechs, als sich meine Großmutter über starke Kopfschmerzen beklagte und ab da, dank einer Gehirnblutung und einem Schlaganfall ans Bett gefesselt war. Zehn Jahre wurde sie von der Liebe ihres Lebens versorgt, bis sie nicht mehr standhalten konnte und verstarb. Zurück ließ sie meinen Großvater, der zwei Jahre später seinem gebrochenem Herzen erlag.
Immerhin machten meine Großeltern aber noch ein waschechtes Kneipenkind aus mir und brachten mir mit dem Schnitzelklopfer das Billardspielen bei, stellten mir eine Erhöhung an den Flipper und setzen mich zum "Muppetshow" Gucken auf die Theke.
In diesem Sinne möchte ich mich für heute mit einem Zitat von Waldorf und Stadler verabschieden:

Stadler: "Die Show war gut"
Waldorf: "Ja, bis sie angefangen hat"



Welcome to my Freakshow
Es gibt Momente im Leben, da würde ich am Liebsten das Schauspiel um mich herum anhalten, verständnisslos in die Kamera schauen und eine Stimme aus dem Off ertönen lassen, welche die Situation für mich kommentiert. Es gibt einfach genügend Augenblicke, die so unfassbar sind, dass ich mir gelegentlich nicht sicher bin ob das Szenario grad wirklich geschehen ist oder nicht. Wobei es meistens wahrscheinlich besser gewesen wäre, wenn nicht.
Wer also bis jetzt der Meinung war, schlimmer kann's nicht mehr werden, der ist bei mir genau an der richtigen Adresse. Teilt mit mir die kuriosesten Begebenheiten meines Daseins und tretet in eine Welt ein, in der es sich immer wieder erneut zu bewähren gilt...